Kunst Forum Weil der Stadt

 

Karl Vollmer

"Ganz oben und tief unten"

13.11.-4.12.2022

„Ganz oben und ganz unten - das ist ein starker Titel für eine Ausstellung in einer ehemaligen Kapelle, die einst dem Schutzpatron der Hirten und Landleute und der religiösen Andacht geweiht war und heute ganz profan der Kunst als Forum dient.“ – so beginnt Anton Schneider seine Einführung zu Karl Vollmers Ausstellung. Er spricht dann von „Hoffnung“, die einen weiten Raum für Kunst und Kreativität öffnet: Kunst und Religion weisen also nicht nur an diesem Ort formale Parallelen auf. - Beide beruhen auf einem analogen „räumlichen Gleichnis“ - beiden geht es um Nähe und Distanz und beiden geht es um Vermittlung gegenüber dem Leben. Im spannenden Doppelverhältnis von Immanenz und Transzendenz gegenüber der Wirklichkeit wollen beide Hoffnung vermitteln. Karl Vollmer, aufgewachsen auf einem Bauernhof, ist ein Sucher und ein Grenzgänger in diesem Spannungsverhältnis von Höhen und Tiefen, von Diesseits und Jenseits, von Geist und Materie, der in seinem Kunstschaffen eine Bildsprache und Ausdrucksform gefunden hat, deren Metaphern aus vielfach organischen Formen, Linien und bewusst eingesetzter Farbe den Betrachter aus den Verflechtungen der Realität heraustreten lassen können - Heraustreten ins Offene, ins Eigene. So formulierte der einführende Redner, der dann im Gespräch mit dem Künstler verschiedene Aspekte erläuterte, wobei sich Karl Vollmer als lebendiger Vermittler seiner künstlerischen Arbeit zeigte. Zu sehen sind verschiedene Perspektiven, ältere und jüngere Arbeiten, kleine und große Formate. Flache, sich an den Boden schmiegende Holzobjekte wechseln mit hoch aufragenden plastischen Raumskizzen ab - Himmel und Hölle geradezu. Dann wieder pralle Lebenslust neben verbrannten Gehöften und trockenen Brunnen - in einigen Bildern erkennt man Inseln und Verweilpunkte - Sehnsuchtsorte - dann, endlich zur Ruhe gekommene, organische Gebilde, in anderen dynamisch wucherndes Werden und Wirken über den Rand hinaus, auch im Wechselspiel von Linienwerk und Farbe...

Vollmer versteht Kultur als Ganzheit, auch als ‚Weg der Seele zu sich selbst. Und deshalb hat er zu „ganz oben und ganz unten“ auch den Musikstil ausgewählt, der ganz exemplarisch das Lebensgefühl der Gegensätze beschreibt und fühlbar zum Ausdruck bringt. Er lässt sich vom Blues inspirieren, denn Blues bringt das Leben in seiner ganzen Breite, mit allen Hoffnungen, Wünschen, Sehnsüchten wie auch den vielen leidvollen Erfahrungen zum Ausdruck. - Beim intensiven Hören spürt man ganz besonders, dass sich das gelungene Ganze immer aus zwei gegensätzlichen Hälften zusammensetzt.

Vollmer hatte deshalb auch den „Slide“ Gitarristen Wolfgang Daiss eingeladen, der zwar, wie angekündigt, auch Blues spielte, es aber in seiner virtuosen Spielweise nicht dabei beließ. Dafür erntete er begeisterten Applaus der zahlreichen Vernissagegäste, darunter auch Clemens Ottnad, Vorstand des Künstlerbunds Baden-Württemberg – innerhalb dessen landesweiten Ausstellungsprojekt „Trüffelsuche“ 2022/2023 findet diese Ausstellung statt.

Zu Beginn hatte Silvia Tanczos-Lückge, die Vorsitzende des Kunstforums, begrüßt und die erste stellvertretende Bürgermeisterin Dr. Sonja Nolte die Grüße der Stadtverwaltung überbracht, wobei sie in geschichtskundiger Weise auf den Ausstellungsort, die Wendelinskapelle, einging.

    "Hornkrone" dominierend im Mittelpunkt      Wolfgang Daiss mit Blues und Gitarre

  Grußworte der Stadt, Dr. Sonja Nolte - Anton Schneider im Dialog mit dem Künstler

Das Vernissagepublikum lauscht Klängen, die Wolfgang Daiss der Slide-Guitar entlockt

   Vollmann zitiert unter Celans "Todesfuge" –  Honoratioren der Stadt unter "Doppelhorn"

 

Neben der Ausstellung in der Kapelle zeigte Karl Vollmer mit einer Kunstinstallation seine „Porträts der Reformation“ in der Brenzkirche anlässlich eines Adventskon-zerts des Chors der Manufaktur. Melanchthon und Calvin schauten großformatig von Kanzel und linker Empore herab, weitere Persönlichkeiten der ‚Frühen Neuzeit’ waren in kleineren Formaten auf die Kirchenbänke verteilt – im nonverbalen Kontakt mit den sich zögerlich dazwischen setzenden Kirchenbesuchern der Gegenwart. Eine Fahne mit dem Thema des Konzerts „Advent – die Hoffnung lebt – Shalom“ zeigte ein Foto des "Einklang-Steins" vor dem 'Haus der Religionen' in Hannover, wo seit 2005 sieben Religionsgemeinschaften gemeinsame Gespräche und den Gedanken-Austausch suchen  eine Reformation in unserer Zeit, Reformation zum Frieden!

Die Ausstellung „Ganz oben und ganz unten“ in der Wendelinskapelle ging einen Tag später mit „Kunst im Gespräch“, wie gewohnt zur Finissage, zu Ende. Karl Vollmer stellte sich in einer lebhaften Diskussion Fragen der Besucher, erklärte die Arbeit "In den Lüften da liegt man nicht eng" (Celan), las dazu noch eigene Texte.

 

 


 

Willem Julius Müller

Apokalyptische Landschaften – Malerei

18. September – 9. Oktober 2022

 

W. J. Müller ist einerseits ein Poet der Bilder, der die Welt im Licht der Farben erkundet. Er konfrontiert die Kraft der Natur mit dem Verfall und den Relikten in verlassenen Landschaften. Dabei setzt er eine übersteigerte und auch verfremdete Farbigkeit ein, die seine Lust  und Freude am Umgang mit dem Medium Malerei zeigt. Der Künstler schafft so eine eigenartige und faszinierende Stimmung, die zu einem Markenzeichen seines Werks geworden ist.

„Willem Julius Müller stellt andererseits aber auch inhaltliche Fragen. Die Bilder lassen sich als Reflektionsflächen begreifen. Müller steht als Mahner da, er erschafft bühnengleiche Szenarien und gibt damit Denkanstöße für den Betrachter, die vielschichtig interpretierbar sind und oftmals in der Schwebe verharren. Es sind menschenleere apokalyptische Landschaften. Die Welt, wie wir sie kennen, scheint ausgelöscht, zurückgelassen, von der Natur besiegt und eingenommen“, so Philipp Schumann im Vorwort des Katalogbuchs „Apokalypse als Anfang“. Und Jörg Scheller bemerkt in seinem Katalogbeitrag: “Beim Betrachten von Müllers Gemälden sehen wir aber nicht nur Darstellungen technologisch-architektonischer Relikte und wuchernder Natur, sondern auch etwas, das nicht im Bild, sondern das Bild ist – Kunst!“ Auch wenn die Gattung der Ölmalerei auf Leinwand schon oft totgesagt wurde, sie lebt noch und immer wieder auf ’s Neue! Vielleicht lässt sich die Thematisierung der endzeitlichen Atmosphäre auch als Anspielung auf die Malerei verstehen, die immer wieder untergeht, um von Neuem aufzugehen.

Müller lebte und arbeitete nach dem Jurastudium und Kunststudium in Hamburg und Berlin viele Jahre dort und war neben diversen Ausstellungen in Deutschland in der Berliner Kunstszene aktiv. Der examinierte Jurist war für eine entsprechende Stelle an der Kunstakademie mit seiner Familie in den Stuttgarter Raum gezogen und stellt sich mit dieser Ausstellung erstmals im süddeutschen Raum vor.

(Die Ausstellung fand im Rahmen des landesweiten Ausstellungsprojekts „Trüffelsuche“ 2022/2023 des Künstlerbunds BW statt)

       Grußworte der Kunstforum-Vorsitzenden,     Grußbotschaft des 1.Beigeordneten WDS

       Einführung in die Ausstellung: HP Schlotter   im Gespräch mit dem Künstler

Farbe und Gegenstände sind vereinzelt aus den Bildern in den Raum hineinkatapultiert

       Vernissagegäste im Gespräch vor Bildern und Gedankenaustausch mit dem Künstler

      

Willem Julius Müller zum Motiv seiner Bilder: „Es geht mir nicht darum, einen Ort zu illustrieren, sondern gute Bilder zu malen. Teil meines künstlerischen Ansatzes ist es, dass einzelne Flächen in die Abstraktion abrutschen und sich verselbständigen. In diesem Sinne hat Kunst für mich auch etwas Prozesshaftes. Oft ist es so, dass ich mit einem nahezu abstrakten Bild anfange, worauf sich dann die Gegenständlichkeit sukzessive aufbaut und immer weiter verdichtet.“ (W. J. Müller im Gespräch mit Ina Grätz im Katalog "Apokalypse als Anfang")

Die Auseinandersetzung zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion sei zentral für seine Bilder geworden, trotzdem würde er sich als gegenständlichen Maler bezeichnen. Die Übersteigerung der Farbskala, bisweilen auch ein Giftgrün oder starkes Magenta, diene ihm dabei als Stilmittel, eine Spannung zwischen dem Abgebildeten und der Farbgebung und damit eine Bildaussage zu erzeugen.

„Apokalypse“ heißt „Enthüllung“, wird in christlicher Literatur als „Offenbarung, Gottes Gericht, Weltuntergang, Zeitenwende“ bezeichnet. Jörg Scheller setzt sich in seinem Beitrag zum Katalog „Apokalypse als Anfang“ mit einer interessanten Frage auseinander: „Die Rede vom >Ende< bezieht sich meist nicht auf die totale Zerstörung der Welt, wie sie in Hollywood-Blockbustern droht. Vielmehr ist das Ende der menschlichen Lebensformen gemeint – das Ende der Sünden, der körperlichen Leiden, der großen Kriege, der politischen Grabenkämpfe. Und damit auch das Ende der Menschen, wie wir sie zu kennen glaubten. – Was aber bliebe, wenn die Menschen einmal nicht mehr wären?“

Willem Julius Müller antwortet in Bildern: menschenleere Landschaften mit Relikten des Anthropozäns. Sie kennzeichnet eine „Spannung aus vibrierender Atmosphäre und kühler Strenge“ (Scheller). Die Vegetation geht in Abstraktion über mit Farben „in psychedelischen Verläufen“, Drippings und schillernden Lasuren.

 


 

Das Kunstforum grüßt mit Künstler-Postkarten vom International Mail Art Project „Johannes Kepler“ zum Marktplatzfest 9./10.7. 2022 die Keplerstadt Weil der Stadt!

Angefertigt für den ursprünglich am 23.10.2021 angedachten Festakt präsentierten wir unsere  Fahnen mit ausgewählten Motiven unserer über 600 Künstlerpostkarten nun schon zum 3. Mal am Marktplatz und an 3 verschiedenen Gebäuden – am ‚Alten Rathaus’ hinter dem Kepler-Denkmal zum Partnerschaftsfest eben am 23.10.2021, direkt am Rathaus zum 450. Geburtstag Keplers am 27.12.2021 und dieses Wochenende am Gebäude direkt im Anschluss ans Kepler-Museum. Infos zum historischen International Mail Art Project "Johannes Kepler" vom 1.9.1996 finden sich im Archiv/1996! 

  Kepler-Fahnen neben dem Kepler-Museum  Marktplatzfest am 9. und 10. Juli 2022   Partnerschaftsfest am 23.10.2021                   Keplers 450. Geburtstag am 27.12.2021

 

 


Architektur-Exkursion

Innovationsmeile Uni Stuttgart-Pfaffenwald

5.7.2022

Geplant waren Führungen im denkmalgeschützten ILEK-Zelt von Frei Otto (im Hintergrund für Kenner noch sichtbar) und dem adaptiven Demonstrator-Turm (Mitte) der nachfolgenden Institutsleiter Sobek und Blandini. Bei beiden Bauwerken geht es um Leichtbau, das Thema Nachhaltigkeit, um Forschungen zum Prinzip des Minimalen und experimentelle Formfindungsmethoden. Die Gelegenheit des 9-€-Tickets (1 Monat freie Bahn- und Busfahrt für 9 €) wurde genutzt, um die 18,5 km von Weil der Stadt (Haltestelle Friedhof an der Würm) direkt zur Uni in den Pfaffenwald mit dem X74 in 28 Minuten  zu fahren - die schwäbische Variante einer Exkursion. Von der Endstation Universität (Schleife) bis zum Pfaffenwaldring 6 sind es nur 500 Meter Fußweg.

   Architrav vom Hochschul-Gründungsbau  –  Treffpunkt/Beginn der Innivationsmeile   Begrüßung vor dem ILEK,  Ingenieur Nitzlader erklärt Frei Ottos Leichtbauprinzip   Druckmast und abgespannte Fensterblase, der Versuchsbau zur Expo 1967, Montreal   Projektleiterin Schürmann erklärt SFB 1244, 1. Forschungsfassadenteil im 12. Stock   Hydraulik-Zylinder zur Adaption in vielen, nicht aber im 'japanischem' Stockwerk   Freistehender Treppenturm mit 36,5 m Höhe und freiem Blick – für Schwindelfreie!

Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen!

Seit Januar 2017 gehen vierzehn Institute der Universität Stuttgart in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der Frage nach, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Ressourcen künftig mehr Wohnraum mit weniger Material geschaffen werden kann. 

Ziel dieses Sonderforschungsbereichs „SFB 1244“ ist es, für das Bauwesen Antworten auf die drängenden ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit zu finden mit dem Bestreben: Optimierung von Form und Konstruktion unterschiedlicher Materialien hinsichtlich Material- und Energieaufwand, Dauerhaftig- und Zuverlässigkeit, Recycelbar- und Umweltverträglichkeit.

Prof. Werner Sobek (Nachfolger von Prof. Frei Otto am Institut für Leichtbau IL, weiterentwickelt zum Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK) hat den SFB 1244 initiiert, Prof. Oliver Sawodny (Institut für Systemdynamik) dessen Sprecherrolle seit Januar 2021 übernommen. Zahlreiche Veröffentlichungen geben einen Einblick in die bisherigen Forschungsergebnisse, dazu wurde im Rahmen des SFB 1244 in Stuttgart-Pfaffenwald das weltweit erste adaptive Hochhaus D1244 entwickelt und am 5.10.2021 eingeweiht.

Das Besondere an diesem „Demonstrator“: Integration von adaptiven und aktiven Elementen in Tragstruktur und Fassade. Adaptive Elemente geben dem Gebäude die Möglichkeit, selbständig durch integrierte Sensoren, auf äußere Einwirkungen wie Wind oder Erdbeben zu reagieren.  Durch die Integration von aktiven Elementen in die Tragstruktur erkennt das D1244 dank seiner Sensorik in Sekundenbruchteilen die Kräfte, die auf das Gebäude einwirken – und kann ihnen mit Hilfe seiner Regelungstechnik gezielt entgegenwirken. Sensoren erfassen auftretende Verformungen, die im Gebäude verbauten Hydraulikaktoren (die „Muskeln“) erzeugen daraufhin gezielt eine Gegenkraft. Diese dient der Dämpfung von Schwingungen, verhindert Verformungen – so kann vor allem bei großmaßstäblichen Gebäuden deutlich leichter gebaut werden als dies ohne Adaptivität möglich wäre.

In den kommenden Jahren wird auch die Fassade des D1244, aktuell eine einlagige, recyclierte Membrane, nach und nach durch adaptive Hüllelemente ersetzt. Diese neuen Fassadenelemente können zum Beispiel den Licht- und Energieeintrag in das Gebäude, den Luftaustausch, sowie den Wärmedurchgang aktiv beeinflussen. Zudem werden bauphysikalische und komfortbezogene Anforderungen an das Innere des Gebäudes mit stadtraumbezogenen Funktionalitäten wie Regenwasser- und Temperaturmanagement kombiniert. Solche adaptiven Fassadenelemente sollen gezielt auf veränderliche Umweltbedingungen und sich ändernde Nutzeranforderungen reagieren.

Durch die Entwicklung neuartiger Adaptivitätskonzepte für alle Bereiche der gebauten Umwelt steht der SFB 1244 für nachhaltige Architektur, die Verantwortung für ökonomische, ökologische und soziokulturelle Fragestellungen übernimmt.

Ohne beschleunigte Umsetzung seiner Erkenntnisse wird die Wohnmisere auf unserem Planeten im Jahr 2050 mit dann voraussichtlich über 10 Milliarden Menschen dramatische Ausmaße annehmen!

Der SFB1244 wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit der Projektnummer 279064222 gefördert.

 

Demonstrator–Hochhaus –  Projektbeschreibung

D1244 umfasst 12 Geschosse mit quadratischem Grundriss und weist eine Gesamthöhe von ca. 36,5 m auf.Grundfläche eines Geschosses beträgt ca. 25 m²; die Höhe eines Geschosses liegt jeweils bei 3 m.Gebäude erreicht einen für höhere Hochhäuser typischen Schlankheitsgrad von 1:7. Somit ist der Transfer der Ergebnisse auf großmaßstäbliche Gebäude leichter möglich.

Tragwerk und Fassade:

Das Tragwerk des adaptiven Hochhauses besteht aus Stahl und hat eine Masse von 42 Tonnen.  Decken und Fassaden wurden in gewichtssparender Holzbauweise realisiert.  Durch reversible Verbindungen und den Verzicht auf Verbundbauteile ist das Gebäude zu 100 % recyclebar und sortenrein in technische oder biologische Kreisläufe rückführbar.

Aktorik:

24 hydraulische Aktoren (8 in den Stützen und 16 in den Windverbänden). Jeder Aktor kann eine Kraft von bis zu 300 kN in das Tragwerk einbringen.

Sensorik:

Das Hochhaus ist mit insgesamt 128 Dehnungsmessstreifen ausgestattet. Sie dienen der zeitgenauen Erfassung des Beanspruchungszustands der Tragstruktur und ermöglichen es (beispielsweise durch Wind induzierte) Dehnungen in den Strukturelementen in Echtzeit zu erfassen.  Ein optisches Absolut-Messsystem erfasst zusätzlich auftretende Verformungen.   Jedes Geschoss verfügt über 230 V und 400 V- sowie Internet-Anschlüsse. Die Temperatur und die Qualität der Raumluft kann bei Bedarf über die im externen Container befindliche RLTAnlage gesteuert werden.

Grundriss Demonstrator-Gebäude

Textauszüge und Grafik: Universität Stuttgart SFB 1244,  Fotos: John, Kienzle, Schürmann

 

Mit bestem Dank für ihre beeindruckenden, exzellenten Führungen an Frau Hannah Schürmann (Demonstrator) und Markus Nitzlader (ILEK-Zelt – Frei Otto hat mit seinem Grundlagenwerk „Zugbeanspruchte Konstruktionen“ aus dem Jahr 1962, seiner tiefen Wertschätzung der Natur und den daraus resultierenden vielfältigen Beobachtungsergebnissen und Experimenten, aber auch seinem schon in den 1960 Jahren gepflegten Prinzip interdisziplinärer wissenschaftlicher Zusammenarbeit wesentlichen Anteil am heutigen Wissen für die Gestaltung der Umwelt von morgen!    Die Frage zu Kunst und Architektur beantworten Ottos Bauten selbst: oft nur temporär geplant, stehen die meisten inzwischen unter Denkmalschutz – wie auch das ILEK-Zelt im Pfaffenwald)!
 
 
 

Rolf Bier

"Only Stars Dream of Framing", Ein Ensemble für die Wendelinskapelle

15.5.-5.6.2022

                                                                                                                                                                                              © Rolf Bier, VG Bild Kunst 2022

 

Rolf Bier, profilierter Vertreter der zeitgenössischen Kunst und Professor an der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste, stellt unter diesem Titel (auch Titel des Einladungsbildes) in der Wendelinskapelle aus.

H.P. Schlotter, Weil der Städter Künstler und Kunstforum-Beirat, führte in einem Gespräch mit Rolf Bier in die Ausstellung ein. Ausgehend von der Feststellung, dass Bier die auf Einladung und Plakat abgebildete Arbeit nicht in der Ausstellung zeigt, führte er das Gespräch auf den Untertitel “ein Ensemble für die Wendelinskapelle“ und damit die Tatsache, dass der Künstler seine „Einrichtung“ aus verschiedenen Elementen seines künstlerischen Werks für die Weil der Städter Wendelinskapelle vorgenommen hat. Das Eingehen auf den vorgegebenen Raum, das „Bespielen“ der Kapelle, die der Künstler nach eigener Aussage wunderbar findet, führt bei Rolf Bier zu Objekten ,wie die „Housing“ genannten Steinsetzungen aus lackierten Findlingen und industriell gefertigten Steinen, wo Natürliches in Form und Material sich mit Konstruktivem verbindet.

Bei Stelen wie „Brancusis Nuß“ ist durchaus Vorwissen hilfreich, so zum Beispiel  die Bekanntschaft mit Constantin Brancusis Kompositionen und stelenartigen Präsentationsformen. Bier spielt auf den berühmten Wegbereiter der künstlerischen Moderne in manchen Aspekten an, kontrastiert aber unterschiedliche und gegensätzliche Materialien und Formen in ganz eigener Weise. Formbewusstsein heißt bei ihm, wie er selbst sagt, unter anderem eben genau nicht zu wissen „wie`s läuft“. Er findet so seine unter Umständen normabweichende künstlerische Form, die vom Betrachter eine wachsame Wahrnehmung verlangt und keine vorgefertigten ästhetischen Erwartungen bedient. Das macht Biers Exponate, unter denen sich auch ein gemaltes Bild befindet, für den unvorbereiteten Betrachter durchaus zum Teil schwierig, und das, obwohl wie bei „The Double Dying of John Lennon“ von 2022, bekannte Vorlagen wie John Lennon am Flügel im Tonstudio benutzt werden oder auch bei der Präsentation von komplementärfarbigen Textilflächen ästhetische Erwartungen bedient werden.

Das „Framing“, den Rahmen für die Rauminstallation Biers, bildet die Kapelle in ihrem künstlerischen Zusammenhang. Dazu gehört im weitesten Sinn auch Weil der Stadt als Keplerstadt, wo Biers Titel „Only stars dream of framing“ kosmische Bezüge möglich macht.

"Housing" - Raummarkierungen, Begrüßung Dr. Burkhard links hinter "Brancusis Nuss" Einführungsgespräch H.P. Schlotter (vor "Coyote", 2010/2022) mit dem Künstler Junge Kunststudenten und ergraute ehemalige (vor "Farben einer anderen Moderne") "Paulo berührt die Welt" innen unterm Südfenster  - und außen (gen Osten verrutscht).

Der Künstler spielt in der Ausstellung mit seinen Einzelarbeiten und "Ensembles" viel mit Metaphorik, läßt die Betrachter oft ratlos. Der PVC-Druck "Paulo berührt die Welt", 2005/2022 unter dem Fenster und in Verbindung mit ihm könnte wie eine zweiteilige Stalltür und dadurch auch als 'Eingangstür' und Schlüsselbild zur Ausstellungsthematik wahrgenommen werden: wir Menschen mit unserem Verständnis, unserem engen Rahmen (frame) gegenüber Welt, Kosmos, dem Leben mit all diesen wundersamen Zusammenhängen sind so klein, es steht uns frei, wie der kleine Junge zu träumen, fabulieren und zu staunen ...

Kunstgespräch John-Schlotter zur Finissage - auch über "Wächter" (camouflage), 2022

Man muss eigentlich kein Star sein, um weitere Deutungszusammenhänge in der Ausstellung "Only Stars Dream of Framing" außerhalb seines Denkmuster-Rahmens (Frame) zu erkennen und damit seine Lust zu haben – z.B. beim kleinen „Wächter“, der wie ein aufgeputzter Gardeoffizier oder aber ein mit Blutspuren umwickelter Soldat samt Dornenzweig als Waffe auf seinem Sockel salutiert? Mit Zitronenkopf, behütet mit einem gelben Einkaufsnetz (statt Bärenfellmütze oder Helm)! Zum Wegwerfen, unnötig wie dieser fürchterliche Krieg in der Ukraine – Überinterpretation oder Traum, hat Bier tatsächlich eine politische Stellungnahme inszeniert?

Immerhin ist der Kapellenraum übereck groß beflaggt, nicht mit üblichen Signal-, bewusst mit gedämpften Komplementärfarben ("Farben einer anderen Moderne / commentaire complémentaire, 2013/22"). Aber klitzeklein sind noch gelb/blaue Hinweismarker angefügt... und auf der Südseite hängen 2 große Banner (o.T., 2002/2022), wohl nicht zufällig von 4 möglichen die Farbvarianten Gelb und Blau!

Im Kunstgespräch zur Finissage zwischen HP Schlotter (rechts) und Helmut John (Mitte) wurde kontrovers heftig diskutiert, und auch das Publikum mußte sich mit seiner Meinung nicht zurückhalten.

 


 

Brigitte Tharin

„STÖRUNG STILLE“, Malerei in Öl und Asche

6.3.-27.3.2022

Unsere 1. Ausstellung in diesem Jahr findet im Rahmen der Frauenwochen statt, mit Brigitte Tharin konnte man letzten Sonntag in der Wendelin-Kapelle eine besondere Vernissage erleben. Schon am Eingang wird man mit einem Gedicht von Ulla Hahn „... wenn wir tiefer atmeten...“ konfrontiert, entschleunigt.

  Begrüßung im Kapelleneingang                     Grußwort 1. Vorsitzende zu "Frauenwochen"Performative Gesten der Stille - Brigitte Tharin  Aktion an Besucher weitergegeben...           Korrektur nach der Performance - mit links  Künstlerkollegen im Gespräch                    Brigitte Tharin mit Vernissagegesellschaft

Stille ist ein wichtiges inhaltliches Element des malerischen Gestaltens von Brigitte Tharin.  

Auch während der ausgesprochen gut besuchten Vernissage kehrte aufmerksame Stille ein, als die Künstlerin in ausgreifenden Armbewegungen wie mit Zirkelschlägen einen Kreis beschrieb und damit auf einem an der Stirnwand der Kapelle gespannten Papier mit schwarzer Ölkreide diese Bewegungsspur sichtbar machte.

Mit Blick und Gesten aufgefordert ergriffen auch einige Gäste die farbigen Ölkreiden und wiederholten und ergänzten die konzentriert gesetzte Kreisform.

In den verschiedenen Bildformaten ihrer Ausstellung zeigt Brigitte Tharin ja ebenfalls eine entschieden stille und konzentrierte ungegenständliche Bildsprache. Es sind Malereien, die materiell aus einem Prozess der Verschmelzung von Asche und Ölfarbe entstehen.

Asche ist zum zentralen Ausdrucksmittel der Malerei von Brigitte Tharin geworden. Es begegnen sich klassische Ölmalerei und Asche, Chaos entsteht und Zerstörung. Das Charakteristische der Asche ist doch das Staubige, Graue, das Erstickende. Was mittels der Farbe erblühen will, wird durch die Asche zerstört. In manchen Bildern zeigt sich die Asche erhaben und machtvoll, in anderen wiederum führt sie einen unerlösten Kampf im materiellen Gemenge. Malerei wird existentiell: nach der Asche ist nie mehr vor der Asche.

„Als ich vor 25 Jahren die Asche für meine Malerei entdeckte“, so die Malerin, „stand ich inmitten von abgebrannten Olivenhainen, auf der griechischen Insel Samos. Es hatte mal wieder kräftig gebrannt. Mit den verkohlten Oliven, die noch an den verbrannten Bäumen hingen, fing ich an zu zeichnen. Ihre schwarzen Kohlespuren wurden durch das enthaltene Olivenöl farbintensiver und auf dem Blatt konserviert. Bald machte ich weitere Versuche durch flächiges Auftragen von Asche und Olivenöl.“

Wieder zuhause im Atelier ersetzte sie das Olivenöl durch Ölfarben. Es begann ein langer „Ascheweg“ und sie lernte die Nuancen der verschiedenen Aschen kennen: „Fichtenasche reagiert anders auf Farbe und Material als Buchenasche“.

Obwohl sie einen gewissen „Nullpunkt der Malerei“ erreicht, wie die Malerin in einem Katalogtext formuliert, erscheint dieser als entleerte und dadurch verdichtete und strukturierte Fläche, die eine lebendige Schönheit in sich trägt, in der die Kraft der Stille und des Innehaltens zum Tragen kommt.

Nach ihrer zeichnerischen Performance zur Eröffnung sprach Brigitte Tharin in einer kurzen Rede nicht etwa über ihre Bilder und künstlerische Position, sie zitierte dagegen mehrfach Agnes Martin (1912-2004), zu der sie eine „innere Resonanz“ empfindet. Diese kanadisch-US-amerikanische Malerin setzte sich ebenfalls mit „stillen“ minimalistischen Ausdrucksweisen auseinander. Martin gehört generationsmäßig zu den ‚Abstrakten Expressionisten’ wie Jackson Pollock und stand in New York in enger Verbindung mit Mark Rothko, Begründer monochromer ‚Farbfeldmalerei’, Ad Reinhardt, Elsworth Kelley. Agnes Martin:

„Malen ist keine Produktion von Bildern. Es ist eine Entwicklung des Bewusstseins und mit der Bewusstseinsentwicklung verändert sich deine Kunst. Sie findet Anklang im Innern des Künstler und inspiriert seine Arbeit. Doch wenn sie keine Resonanz findet, wird sie niemanden ansprechen.                                                                    

Wir können nicht das inspirierte Leben und die Konventionen gleichzeitig leben.

Im Gästebuch des Kunstforums in der Wendelinskapelle finden sich Grüße, die eine empfundene Bereicherung in der Begegnung mit der Kunst von Brigitte Tharin zum Ausdruck bringen – dieses Gedankenmitteilen bereitet Freude!

Wer die Begegnung mit der Künstlerin und ihrer Malerei sucht, findet ein außergewöhnliches Angebot während der Ausstellung: Jeden Samstag und Sonntag ist Brigitte Tharin in der Ausstellung, und Besucher sind in dieser Zeit (11-17 Uhr) eingeladen „mit ihr zu schweigen, zu malen, Tee zu trinken“. Brigitte Tharin malt, schweigt, trinkt Tee   „Bedrohung“ 2022, Öl und Asche auf Holz „Störung Stille III“, 2021, Ausschnitt              Einladung zum Malen für Besucher